Gesundheit & Ernährung

Borderline: Wie damit umgehen?Rettungsanker

DIENSTAG, 09.10.2012

Fast jeder hat schon mal von der psychischen Störung Borderline gehört. Doch was verbirgt sich dahinter? Und wie geht man als Angehöriger eines Betroffenen damit um?

Immer häufiger stolpert man über den Begriff Borderline, der eine Persönlichkeitsstörung beschreibt, die wiederum nur schwer zu fassen ist. Ähnlich wie beim Burnout-Syndrom wird die Erkrankung in der Öffentlichkeit zwar immer wieder thematisiert, doch die Symptome sind meist so vielfältig, dass sich kaum erkennen lässt, wann eine Person wirklich betroffen ist.  

Was ist Borderline?

Das Borderline-Syndrom ist eine Persönlichkeitsstörung, die durch extreme Gefühle, innere Zerrissenheit und Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, der Selbstwahrnehmung und im Gefühlsleben gekennzeichnet ist. Betroffene fallen meist durch aggressives Verhalten sich selbst und anderen gegenüber auf. Aber auch paradox wirkendes Verhalten in Beziehungen und eine ausgeprägte Neigung zum Exzess (Drogen, Sex, gefährliche Hobbys, Alkohol) können auf die psychische Störung hinweisen. Wie das englische Wort "Borderline" (deutsch: Grenzlinie) schon andeutet, lässt sich ein Betroffener als eine Art Grenzgänger beschreiben, der sich aufgrund seiner außergewöhnlichen Impulsivität ständig zwischen Extremen bewegt. Laut dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association lässt sich das Borderline-Syndrom anhand von neun Kriterien erkennen. Wer mindestens fünf dieser Symptome aufweist, gilt als Borderliner.

Der Umgang mit Betroffenen

Buchautorin Agneta Melzer kennt die Problematik – allerdings nicht als Betroffene, sondern als beste Freundin einer Borderlinerin. In "Borderline – Ein Jahr mit ohne Lola" beschreibt sie die schwierige Frauenfreundschaft, die unter den starken Stimmungsschwankungen ihrer Freundin Lola leidet, aber nicht zerbricht. Abwechselnd schildern die beiden Frauen ihre jeweils eigene Perspektive über zwölf anstrengende Monate, die es in sich haben.  Seit Lolas Diagnose hat sich Agneta Melzer intensiv mit der Interaktionsstörung Borderline und deren Symptomen auseinandergesetzt. Für Angehörige und Freunde von Borderlinern hat sie einige wertvolle Ratschläge: "Abgrenzen! So hart das auf den ersten Blick klingen mag: Man muss eine Grenze ziehen. Das heißt nicht, dass man den Kontakt abbrechen soll, sondern nur, dass man versuchen sollte, eine gewisse Distanz zu bewahren – auch innerlich. Das gilt aber eigentlich für den Umgang mit allen psychischen Krankheiten."

"Jeder Mensch kann nur sich selbst retten!"

Unangekündigt taucht ihre beste Freundin manchmal wochenlang unter. Oft genau dann, wenn Agneta sie am dringendsten bräuchte. Die entsprechenden Situationen, in denen ihre Freundschaft ins Wanken gerät, interpretieren die beiden erstaunlicherweise vollkommen unterschiedlich. Agneta macht das manchmal wütend, doch sie durchschaut Mechanismen: "Manche Angehörige ärgern sich immer wieder, andere machen sich Selbstvorwürfe, weil sie die Erkrankten nicht retten können. Hier gilt: Jeder Mensch kann nur sich selbst retten! Wenn man sich das klargemacht hat, wird vieles leichter – und das wiederum hilft auch dem Betroffenen, da der auf ihm lastende Druck geringer wird."

Fünf persönliche Tipps für Angehörige und Freunde psychisch Erkrankter von Autorin Agneta Melzer

  • Seine eigenen Grenzen erkennen! Es mag sich egoistisch anfühlen, aber wenn man selbst schon einen grauenvollen Tag hatte, ist es in Ordnung, sich zuerst einmal um sich selbst zu kümmern.
  • Negative Gefühle zulassen! Das heißt nicht, dass man den Kranken anbrüllen sollte. Aber es ist erlaubt und völlig normal, "Du blöder Idiot" zu denken.
  • Nicht versuchen, die Gedankengänge des anderen nachzuvollziehen! Wer noch nie eine Depression hatte, wird niemals verstehen, wie sich das anfühlt. Es würde ja auch keiner annehmen, dass sein Gegenüber weiß, wie sich eine Blinddarmentzündung anfühlt, wenn dieser noch nie eine hatte. Stattdessen lieber akzeptieren, dass man den Erkrankten nie ganz verstehen wird.
  • Nicht mit der Tür ins Haus fallen! Falls man glaubt, dass jemand professionelle Hilfe benötigt, kann man höchstens versuchen, den anderen so weit zu bringen, dass er von selbst darauf kommt. Alles andere wäre kontraproduktiv! Es kann beispielsweise helfen, von anderen Betroffenen zu erzählen und dabei deutlich zu machen, dass man nicht stigmatisiert.
  • Geduld haben! Es kann besser werden, aber es wird dauern. Und es gibt Rückschläge. Die Wenigsten gehen in eine Therapie und kommen zwölf Sitzungen später geheilt wieder heraus.

Lesetipp:

"Borderline – Ein Jahr mit ohne Lola" ist die Geschichte einer besonderen Freundschaft, einer Borderlinerin und der Probleme, die diese Erkrankung mit sich bringen kann. Autorin Agneta Melzer wurde 1982 in Hamburg geboren. Sie studierte Kulturwissenschaften in Lüneburg und arbeitet parallel in Elmshorn als freie Journalistin. Heute ist sie Redakteurin und lebt mit ihrem Mann in Hamburg. Das Buch erhalten Sie zum Beispiel hier.